Bauchtanz als Schlüssel zu weiblicher Gesundheit

Bauchtanz- Hauch des Orients, Düfte, Farben, Stoffe, Glitzerwelt einerseits, hohe Tanzkunst und Bühnenpräsentation andererseits. Bauchtanz ist all das, aber nicht nur. Er kommst aus Ritual- und Fruchtbarkeitstänzen uralter Zeit- ein Tanz von Frauen für Frauen. Er ist auf den weiblichen Körper und seine Bedürfnisse abgestimmt und hat weitreichende therapeutische Wirkung in orthopädischer, gynäkologischer und psychisch-emotionaler Hinsicht. Ganz aus dem Tanz kommend erforsche ichjetzt seit 18 Jahren die medizinisch-therapeutische Seite dieses Frauentanzes und habe die Bereiche „Geburtsvorbereitung, Rückbildung und Beckenbodentraining durch Bauchtanz“ erschlossen.

Bauchtanz ist ein ganzheitlich weiblicher Tanz, ein Frauentanz, kein Teenietanz. Abgesehen von den Zeiten, als Shakira mit ihren Bauchtanzkenntnissen Idol vieler jungen Mädchen und Frauen war und viele ihr nacheifern wollten, kommen die meisten Frauen zwischen 25 und 55 Jahren zum Bauchtanz, also in einem Alter, in dem sie schon weibliche Erfahrung haben, aber häufig noch auf der Suche sind nach sich selbst, was sich schon dadurch zeigt, dass sie oft nach Lebenskrisen (Scheidung, Krankheit) mit diesem Tanz beginnen. Keine Frau kommt zum Bauchtanzkurs mit der gleichen Intention, wie sie zum Aerobic-Kurs geht; es steht immer eine weitere Dimension dahinter. Natürlich bringt Bauchtanz Körperfitness, ist sportlich gesehen Ausdauertraining, stärkt das Herzkreislaufsystem, aktiviert die verschiedensten Muskelpartien, aber es hat neben all diesen physischen Vorteilen auch noch die spezifisch-weiblichen Qualitäten, auf die ich im Folgenden eingehen möchte.

Der orthopädische Aspekt

Zweitgrößter Faktor im deutschen Gesundheitswesen sind Rückenprobleme entstanden durch Bewegungsmangel, unphysiologische, einseitige Bewegungen, falsche Alltagsgewohnheiten, alles Schäden, deretwegen Orthopäden Frauen an mich verweisen.

Die Grundposition im Bauchtanz entspricht der physiologisch korrekten Körperbalance, d. h. allein durch die Körperhaltung wirke ich dem ungeliebten Hohlkreuz, diversen Verspannungen im Nacken-/Schulterbereich, Gelenkschäden, Erschlaffung der Körper-, einschließlich der Beckenbodenmuskulatur entgegen. Durch die binnenkörperlichen Bewegungen werden sämtliche Muskelgruppen des Rumpfes bewusst gemacht, beansprucht und somit trainiert, was auf Dauer zu einer wesentlichen Verbesserung der Körperhaltung, weniger Schmerzen und zu der Bereitwilligkeit fUhrt, eine eingefallene, schiefe und kraftlose Körperhaltung gegen diese dynamische auch im Alltag einzutauschen. Die durch Überbeanspruchung verspannte Nacken- und Schultermuskulatur (z.B. durch PC-Arbeit) kann durch die Schulter- und Armbewegungen im Tanz gelöst werden. Die Brustkorbbewegungen werden nur möglich durch Muskeln, die wir noch nie wahrgenommen haben. Schulter-, Nacken- und Brustbereich sind bei sehr vielen Frauen wie erstarrt und verhärtet; der Tanz kann diese Partien erweichen, auch emotional. Von den Fingern bis zu den Zehen wird im Bauchtanzjeder Muskel bewegt, gedehnt und gekräftigt. Die allgerneine Beweglichkeit und Koordinationsfähigkeit nehmen zu (bes. wichtig bei Frauenjenseits der Menopause), und es entsteht eine sehr differenziertes Körperbewusstsein.

Der gynäkologische Aspekt

Bauchtanz ist der weiblichste aller Tänze und es ist nur natürlich, dass er gerade im gynäkologischen Bereich viel zu bieten hat. Frauen werden zu mir von Gynäkologen geschickt bei sich ständig wiederholenden, diffusen und psychisch überlagerten Beschwerden (Infektionen, Menstruationsbeschwerden), nach Bauch-OPs und bei Beckenbodenschwäche. Im Bauch-Tanz werden die Bauchorgane massiert und durchblutet, was zu einer besseren Sauerstoffversorgung, Stärkung und Immunisierung des Gewebes beiträgt. Der gesamte Beckenbereich wird gelockert, entspannt und positiv besetzt. Der Bauch DARF da sein. Ein arabisches Sprichwort sagt: „Eine Frau ohne Bauch ist wie ein Himmel ohne Sterne“ – eine Erlösung für all jene, die jahre- und jahrzehntelang ihren Bauch versteckt haben. Bauchtanz bringt eine bessere Verdauung und weniger Menstruationsbeschwerden, aber das Highlight ist die Wirkung auf den Beckenboden. In meinem Buch „Die innere Kraft der Frau – Bauchtanz und Beckenboden“ habe ich neben allgemeiner Beckenbodenaufklärung erstmalig erforscht und aufgelistet, dass bei jeder Beckenbewegung praktisch alle drei Beckenbodenschichten in unterschiedlicher Intensität beteiligt sind; d. h. das Bauchtanzen an sich ist schon immanentes Beckenbodentraining. Ich habe Frauen erlebt, die nur über intensives Tanzen ihre beginnende Inkontinenz wieder in den Griff bekamen. In schweren Fällen muss der Tanz natürlich mit Beckenbodenübungen und Training der zuarbeitenden Muskulatur von Bauch, Po, Hüfte und Oberschenkeln kombiniert werden.

Bauchtanz in der Schwangerschaft

Bewegte Schwangerschaft- das ist hier das Motto. Alle oben genannten positiven Aspekte im Bauchtanz vervielfältigen sich in der Schwangerschaft. Insbesondere die Körperhaltung hat mannigfaltige Auswirkungen. Ist das Becken aufgerichtet, kann das Baby in das Becken wie in einen Eierbecher hineingenommen werden und die Schmerzen im Kreuz-Lendenbereich und in den überdehnten Bändern hören auf. Das Becken wird mobilisiert, die Plazenta gut durchblutet, was zu einem Gedeihen des Babys beiträgt. Der Beckenboden wird trainiert. Zwar muss der Beckenboden unter der Geburt nachgeben, weshalb der Fokus während der Schwangerschaft auf Entspannung und Wahmehmung liegt; aber nur ein gut tonisierter Beckenboden kann sich nach der Geburt wieder schnell zurückformen. Der gesamte

Muskelapparat wird gekräftigt (Geburt heißt schwere Muskelarbeit) und der Körper zeigt eine verbesserte Beweglichkeit. „Meine“ Frauen kennen keinen Watschelgang! Darüber hinaus ist der Tanz per se Venenprophylaxe und verdauungsfördernd, d. h. entgiftend.

Natürlich sind nicht alle Tanzbewegungen für die Schwangerschaft geeignet. Es bedarf da großer Vorsicht und Erfahrung. Ich habe ein Programm zusammengestellt, was unterscheidet zwischen Bewegungen für die Schwangerschaft und solchen zum Einsatz unter der Geburt. Schwangerschaftsbewegungen sind sanft, harmonisierend und beruhigen das Baby. Das Becken als erste Wiege des Kindes verbindet Mutter und Baby emotional. Die Schwangeren, die tanzen, erleben sich als fit, aktiv, stark und gut geerdet und genießen ihren Bauch. Sie sind positiv im Hinblick auf eine vertikale (aktive) Geburt, wozu ich auch entsprechende Bewegungen ausgewählt habe. Diese sind der Geburt vorbehalten, da stark wehenfördernd, wie ich bei vielen Geburten selbst miterleben durfte.

Bauchtanz und Rückbildung

Rückbildung geht für mich vom Beckenboden aus und Bauchtanz ist Beckenbodenarbeit Der Tanz, intensive Beckenbodenübungen verbunden mit einer den Körper entsprechend den Bedürfnissen nach der Geburt stärkenden Gymnastik bringen die junge Mutter wieder in Form. Durch die Haltungsschulung wird sie innerlich und äußerlich aufgerichtet. Hat der Schwangerenkurs eher leiseren Charakter, so herrscht im Rückbildungskurs schwungvolle Frauenpower. Tanzbewegungen, die besonders effektiv den Beckenboden trainieren, füge ich zu einer kleinen Choreographie zusammen, so dass Rückbildung zum Spaß wird. Die Frauengemeinschaft im Kurs kann die Teilnehmerirr unterstützen in ihrem Wunsch, wieder in ihren Körper hineinzufinden und zu lernen, sich nicht nur als Mutter, sondern auch erneut als Frau zu fühlen.

Bauchtanz in der Menopause und danach

Bauchtanz ist fern von jedem Schlankheits- und Jugendkult Er ist also ein offenes Feld für ältere Frauen, die vielleicht die Freude, Akzeptanz und Erotik des eigenen Körpers leben oder erst wieder finden wollen. Oft machen sie mit der Anmeldung zu einem Bauchtanzkurs einen ersten Schritt aus einer gewissen Isolation oder psychisch/physischen Schwere

heraus und handeln nach Voltaire, der sagte: „Da es sehr förderlich für die Gesundheit ist, habe ich beschlossen, glücklich zu sein.“ Und Bauchtanzen ist nun mal Glück, da wird mir keine Kennerirr widersprechen. Außerdem sind diese Frauen eine Bereicherung fiir jeden Kurs, da ein Austausch der Generationen, Kontakt und gegenseitige Akzeptanz entstehen können.

Bauchtanz ist partnerunabhängig und hat in dieser Lebensphase einige gesundheitliche Vorzüge zu bieten. Er beugt Osteoporose vor, massiert die Bauchorgane (der Verdauungsapparat bleibt in Schwung), trainiert den Beckenboden, verbessert und kräftigt damit die Schleimhäute und schützt vor Inkontinenz. Das Herzkreislaufsystem wird angekurbelt, und die größere Körperbeweglichkeit und Koordinationsfähigkeit sind eine gute Sturzprophylaxe.

Der psychisch-mentale Aspekt

Jeder Tanz setzt Endorphine frei, und das bedeutet Lebensfreude, Stressabbau und Energie. . Im Orientalischen Tanz trägt dazu noch spezifisch die fröhlich-kraftvolle Musik bei. Bauchtanz ist von seinem Ursprung her Irnprovisationstanz, und das Tanzen in der Frauengemeinschaft sollte neben der Vermittlung von Technik nie vernachlässigt werden. Da kann und darf sich jede Frau zeigen in ihrer eigenen Individualität; denn der Ausdruck einer jeden Bewegung ist abhängig vorn Ausdruck der Frau, die sie tanzt. Im Bauchtanz gibt es kein Verstecken; jede Frau tanzt mit dem ihr gegebenen Körper und dem ihr eigenen Temperament und sie lernt dabei sich selbst anzunehmen- und das schafft Selbst-Bewusstsein. Natürlich sind die ungewohnten und sehr komplexen Bauchtanzbewegungen anfangs schwer nachzuvollziehen und konfrontieren die Frau mit den eigenen Defiziten in Körper und Psyche. Aber jenseits dieser Schranken liegen Weichheit und ein Ankommen im Selbst. Mit Leib und Seele TANZEN – das kannjede Frau lernen.

Gaby Mardshana Oeftering

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